Kunst am Hörnbad: „liquid lines“ auf dem Bäderboulevard

Kiel ist um ein vielschichtiges und spielerisches Kunstwerk im öffentlichen Raum reicher geworden – und das darf sogar betreten werden: Auf dem Boden vor dem Hörnbad erstreckt sich nun das Werk „liquid lines“ der in Berlin lebenden Künstlerin Hannah Bohnen. Sie hat in Kiel an der Muthesius Kunsthochschule studiert und 2019 den Gottfried-Brockmann-Preis der Landeshauptstadt Kiel für junge Künstler*innen erhalten. Ihre auf den Bäderboulevard weiß markierten „flüssigen Linien“ nehmen Bewegungen der Schwimmer*innen im Hörnbad auf.

Zur offiziellen Übergabe des Kunstwerks am Sonnabend, 9. Oktober, 15 Uhr, sprechen Bürgermeisterin und Kulturdezernentin Renate Treutel und Christian Jacobsen von den Kieler Bädern, als Vorsitzender des Kieler Kunstbeirates unterhält sich Stadtgaleriedirektor Dr. Peter Kruska mit Hannah Bohnen über das Kunstwerk.

Der Kunstbeirat der Landeshauptstadt Kiel hatte im Januar einen beschränkten Wettbewerb für Kunst im öffentlichen Raum am Hörnbad ausgelobt und fünf Künstler*innen zur Teilnahme eingeladen. Hannah Bohnen hatte mit „liquid lines“ die Jury überzeugt (Preisgeld 30.000 Euro). Das Kunstwerk konnte nun vor dem Schwimmbad umgesetzt werden.

Dr. Peter Kruska freut sich als Kunstbeiratsvorsitzender besonders darüber, dass mit Hannah Bohnen eine junge Künstlerin ausgewählt wurde, die ihr Studium in Kiel absolviert hat und für ihr bisheriges Werk mit dem jüngsten Gottfried-Brockmann-Preis ausgezeichnet wurde. Gleichzeitigt sieht er die Arbeit „liquid lines“ als eine gelungene Bereicherung der Kunst im Kieler Stadtraum: „In ihrem Entwurf ist es Hannah Bohnen gelungen, über einen minimalen Eingriff mit der Architektur des Hörnbads in Kommunikation zu treten und diese fast beiläufig und nebenbei um einen unübersehbaren, imaginären Raum zu erweitern.“

Die Künstlerin übersetzt unterschiedliche Schwimmstile in einen dynamischen Linienverlauf. Mit Hilfe des Motion-Tracking-Verfahrens erfasst sie die Bewegungsabläufe des Schwimmens. Dazu wurden mehrere Schwimmer mit Sensoren an verschiedenen Stellen des Körpers wie den Ober- und Unterarmen ausgestattet. Die Bewegungsdaten zeichneten anschließend dreidimensionale Formen in einem digitalen Bewegungsraum. Hannah Bohnen extrahierte die einzelnen Linien, reduzierte sie zu zweidimensionalen Darstellungen und fügte sie zu einer einzelnen Gestalt zusammen. Die charakteristischen Züge der verschiedenen Stile verschwammen ineinander und vereinten sich zu einem Ganzen.

In der Kooperation mit dem CAU Motion Lab trafen dabei unterschiedliche Sichtweisen auf Bewegung aufeinander. „Normalerweise nutzen wir dieses Verfahren, um Zusammenhänge in komplexen Bewegungen sichtbar zu machen, um damit beispielsweise sportliche Leistungen zu optimieren“, berichtet Dr. Stefan Kratzenstein, Leiter des Bewegungslabors der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, und verweist damit auf seine analytische Perspektive: „Dem gegenüber steht hier der künstlerische Anspruch, Bewegung in einer Form abzubilden. Diese Anwendung des Verfahrens ist auch für uns spannend zu sehen.“

Auch Hannah Bohnen betont besonders das kooperative Arbeiten an dem Projekt. „Ich freue mich sehr über die Umsetzung meiner Arbeit vor dem Hörnbad in Kiel. Es ergab sich eine enge Zusammenarbeit mit der Stadt, dem Motion Lab der CAU, dem Hörnbad und drei Schwimmern verschiedener Schwimmvereine in Kiel. Diese enge Zusammenarbeit mit Kieler Institutionen und die direkte Bezugnahme auf die Architektur des Hörnbades haben den Prozess für mich besonders spannend gemacht, weil sich die Ideen durch unterschiedliche Expertisen gegenseitig bereichert haben. Der Akt, wissenschaftliche Bewegungsanalyse künstlerisch zu denken und zu transformieren, war hierbei besonders inspirierend für mich“, äußert sich die Künstlerin.

„Es ist ein öffentliches Kunstwerk, das passend zum Ort mit Unterstützung von Schwimmern entstanden ist. Es lädt vor oder nach dem Schwimmspaß im Hörnbad ein, sich auf den Linien zu bewegen. Hannah Bohnen gelingt es, mit ‚liquid lines‘ Wissenschaft, Sport und Kunst auf besonders reizvolle Weise zu verbinden“, freut sich Bürgermeisterin und Kulturdezernentin Renate Treutel.

In für sie typischer Manier holt Hannah Bohnen den einzelnen Moment aus seiner Flüchtigkeit heraus und hält ihn künstlerisch fest. Sie manifestiert in der Arbeit „liquid lines“ die Bewegungen der Schwimmer im Bild der Linie und abstrahiert sie zugleich. Die entstandene Linie zieht sich als weißer Auftrag in einer Länge von 140 Meter und einer Breite von 50 Zentimeter ähnlich einer Fahrbahnmarkierung über den gesamten Boulevard des Hörnbads.

Anders als die geraden Verkehrsbegrenzungen wickelt sich die Linie jedoch um sich selbst, zeichnet große, kreisförmige Formen auf den Bodenplatten des Geländes und fügt dem kantigen weißen Gebäude eine spielerische Komponente hinzu. Ihrem Verlauf folgend, verlieren sich die Betrachter*innen in den fließenden Kurven und Wellen, die mit der Architektur brechen und einen Fluss erzeugen. Die Arbeit „liquid lines“ versetzt das gesamte Areal in Bewegung und trägt die schwimmerischen Impulse des Bads in den Außenraum.

Hannah Bohnen wurde 1989 in Duisburg geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Zunächst hatte sie eine Tanzausbildung absolviert und studierte dann 2012 bis 2020 freie Kunst/Bildhauerei an der Muthesius Kunsthochschule Kiel. An der Kunsthochschule Weißensee begann sie 2020 ihr Meisterschüler*innen-Studium. Seit 2018 wird sie von der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert. 2019 erhielt Hannah Bohnen den Gottfried-Brockmann-Preis der Landeshauptstadt Kiel.

Foto: LH Kiel / Arne Gloy

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Bild Schwimmhalle von außen